Die TZ sprach mit Dirk Otto, Schiedsrichter der Partie Brandis – RS LeipzigFußball (TZ). Fußball brutal vergangenen Samstag in Brandis: Vermummte Jugendliche und junge Männer, ein Großteil von ihnen ist nach Augenzeugenberichten eindeutig der rechten Szene aus dem Raum Leipzig-Wurzen zuzuschreiben, machten Jagd auf Fans vom Bezirksklasse-Tabellenführer Roter Stern Leipzig. Rund 180 Sekunden dauerte die Partie, dann wurde sie abgepfiffen. Die Entscheidung dazu traf Dirk Otto, Schiedsrichter des Torgau-Oschatzer Fußballverbandes, dessen Verein der SC Hartenfels Torgau 04 ist. Zusammen mit dem Torgauer Frank Winkler (SV Zwethau) und Enrico Frisch (FSV Oschatz) aus Oschatz leitete der 39-jährige erfahrene Referee die Partie. Oder besser gesagt, sollte diese leiten.
Die TZ sprach mit dem Torgauer über den schwarzen Samstag von Brandis:
TZ: Sie hatten ja das Spiel kurzfristig übertragen bekommen. Wann?Dirk Otto: Freitag gegen 11 Uhr. Das Spiel sollte erst der junge Benjamin Müller aus Wermsdorf leiten, doch Schiedsrichteransetzer Josef Hauer vom Leipziger Fußballverband erfuhr von den angekündigten Randalen und übergab mir die Leitung.
Wie gingen Sie in das Spiel?Eigentlich wie immer. Es spielte Grün gegen Rot, sprich Brandis gegen Roter Stern Leipzig.
Hatten Sie Bammel?Nein, gar nicht!
Hatten Sie bei Ihrer Anreise etwas bemerkt, dass „heute“ etwas passieren könnte?Nein! Am Netto-Markt in Brandis haben wir lediglich zwei Polizeifahrzeuge gesehen. Von den Randalierern und Schlägern haben wir nichts gesehen. Nichts deutete darauf hin.
Zu welchem Zeitpunkt dachten Sie: Hier knallt‘s gleich?Als die Horde ins Stadion einmarschierte. Sie wurden durch einen separaten Eingang reingelassen. Das war genau zu dem Zeitpunkt, als wir die Platzwahl vorgenommen hatten.
Und wie ging es dann weiter?Es waren zweieinhalb, drei Minuten gespielt. Ich hatte Freistoß gegeben. Der Ball ruhte. Mein Assistent Enrico Fritsch signalisierte per Fahnenzeichen Gefahr. Ich habe das Spiel unterbrochen und habe die Mannschaften aufgefordert, das Spielfeld sofort zu verlassen. Fast alle Spieler sind meiner Aufforderung nachgekommen, in die Kabinen zu gehen. Nach 20, 25 Minuten habe ich das Spiel ganz abgebrochen. Die Schlägertruppe zog in etwa zu diesem Zeitpunkt ab.
Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt Angst?Nein, überhaupt nicht. Wir fühlten uns nicht bedroht. Die Angreifer hatten es meiner Meinung nach nur auf die Fans von Roter Stern abgesehen.
Wann hatten Sie und Ihre Kollegen das Stadion verlassen?So gegen 16.30 Uhr. Unsere Abreise war sicher und verlief ohne Probleme, es war zu diesem Zeitpunkt ja reichlich Polizei vor Ort.
Und ihre Heimreise verlief problemlos!Ja, klar! Zwar stand das Handy nicht mehr still. Wir drei mussten unsere Eindrücke noch verarbeiten und hatten uns viel zu erzählen.
Was muss passieren, um den Fußball nebst seiner teils hirnlosen Fans in Sachsen wieder in den Griff zu bekommen, dass er wieder der schönste Sport der Welt ist?Die Politik muss sich ändern! Unsere Politiker müssen der Polizei mehr Macht und Befugnisse geben.
Letzte Frage: Wann pfeifen Sie wieder?Samstag stehe ich in Neugersdorf (Anm. der Red.: Landesliga Neugersdorf – Hohenstein/Ernstthal)) an der Linie und Sonntag leite ich die Bezirksklassepartie Geithain gegen den KSC Leipzig.
Gespräch: Thomas Manthey