Torgau Völlig überraschend hat Oberbürgermeisterin Romina Barth jetzt die offizielle Gedenkveranstaltung zum Elbe Day am 25. April abgesagt, dem 77. Jahrestag der historischen Begegnung sowjetischer und amerikanischer Soldaten an der Elbe. Begründend wurde in einem Brief an die Fraktionen, die im Vorweg nicht informiert worden waren, auf die "aktuelle Lage" verwiesen.
Noch in der letzten Woche hatte Barth in der Stadtvertretung bekräftigt, dass der Elbe Day mit Redebeiträgen von Gästen aus Russland, den USA, Frankreich und der Ukraine stattfinden werde. Wer als Redner auftrete, sei aber noch nicht klar. Sie verwies auf Empfindlichkeiten nach dem Motto "Wenn der kommt, komme ich nicht".
Die "täglichen Ereignisse" hätten zu der Absage geführt, hieß es nun in einer Mitteilung an die Fraktionen und die Presse. Was waren die wirklichen Gründe? "Ich bin in letzten Wochen von verschiedener Seite auf mögliche Risiken angesprochen worden", erläuterte Barth im Gespräch mit der TZ. "Aus anderen Städten gab es unerwünschte Auftritte von russischen Nationalisten." Zudem hätten viele der rund 75 geladenen Gäste abgesagt. Schlimmer noch: "Von den angefragten Rednern gab es trotz Nachfragen weder Zu- noch Absagen." Zur Frage, warum die Fraktionen vorab nicht informiert wurden, teilte sie mit: "Am Ende trage ich als Oberbürgermeisterin allein die Verantwortung. In der Abwägung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Risiken überwiegen."
Henry Goldammer, Chef der CDU-Fraktion im Stadtrat, zeigte sich auf Anfrage überrascht: "Wir wussten von der Absage vorher nichts." Er vermutet, dass die Entscheidung nach Beratungen eines "Krisenmanagements" erfolgte. "Wenn es begründete Sicherheitsbedenken gibt, muss man die natürlich ernst nehmen", so Goldammer. Die aktuelle Situation gleiche einen "Pulverfass". Niemand könne vorhersagen, was passiere, wenn Protagonisten dieses Konflikts an der Elbe aufeinandertreffen.
"Man muss aber auch den Friedensgedanken aufrechterhalten", gibt er zu bedenken. "Es gilt jenen Kräften, die keinen Frieden wollen, Paroli zu bieten." Deshalb wollten alle Fraktionen am 25. April trotzdem gemeinsam einen Kranz am Mahnmal der Begegnung niederlegen - nur eben nicht offiziell, sondern "privat".
Michael Bagusat-Sehrt (Linke) fühlt sich von der Entscheidung überrumpelt. "Das ist nicht hinnehmbar", ärgert er sich. Es sei nicht das erste Mal, dass die Stadtvertreter zu spät, unzureichend oder gar nicht informiert werden: "Wir sind nicht mehr Stadtrat, sondern Randrat." Der Politiker, der Barth im Juli ein zweites Mal bei den OBM-Wahlen herausfordern will, verweist darauf, dass die Stadtvertreter sich stets für eine offiziellen Gedenkfeier ausgesprochen hatten.
Allerdings sieht er sowohl ein mögliches Sicherheits-Problem als auch ein Dilemma für die Bundeswehr. Bislang hatten Vertreter des Reservisten-Verbandes einen Kranz abgelegt, in diesem Jahr gab es eine Absage. "Wenn in diesen Tagen Russen und Ukrainer aufeinandertreffen, ist das natürlich heikel," so Bagusat-Sehrt. Nichtsdestotrotz hätte er es gern gesehen, wenn wenigstens eine offizielle Gedenkfeier im "kleinen Rahmen" stattgefunden hätte, wozu er auch gern die örtliche Pfarrerin gebeten hätte.
Fraktionschef Axel Klobe (Freie Wählergemeinschaft/FDP) zeigte sich ebenfalls "sehr überrascht" über die Absage. "Wir hatten uns für eine größere Veranstaltung mit hochrangigen Rednern stark gemacht," erläutert er. "Unsere Idee war, dass von Torgau ein starkes Zeichen des Friedens ausgeht." Er hätte sich gewünscht, dass wenigstens der Ältestenrat noch einmal darüber gesprochen hätte: "Vielleicht wäre eine kleinere Gedenkfeier noch möglich gewesen."
In den Jahren zuvor hatten bisweilen Sicherheitsprobleme den Elbe Day überschattet. So waren mehrmals die Putin-treuen "Nachtwölfe" während der Gedenkfeier erschienen; dabei handelt es sich um eine rund 5000 Mitglieder zählende Motorradgang, die wie der Kreml-Machthaber von einem russischen Imperium träumt.
Zum Elbe Day am 25. April ist nun um 15.30 Uhr eine informelle Kranzniederlegung am Mahnmal vorgesehen, danach die kirchliche Feierstunde mit Landesbischof Friedrich Kramer. Der Elbe Day als Festveranstaltung (30. 4./1. 5.) findet wie angekündigt statt.