Zwethau. Völlig überraschend kam es nicht. Die Archäologen wissen, dass Zwethau eine wahre „Fundgrube“ ist. Natürlich nur im übertragenen Sinne. Und mit Zwethau ist auch eher das Umfeld in Richtung Elbe gemeint. Hier befindet sich ein Terrain, das Einheimische unter dem Begriff „Seeberg“ kennen.
Schon unsere Vorfahren schätzten dieses fruchtbare Fleckchen Erde in Flussnähe, das vor Hochwasser gut geschützt noch dazu an der Mündung eines kleinen Gewässers lag – dem heutigen Koßdorfer Landgraben. „Dieser Bereich wurde zu verschiedenen Zeiten als Siedlungsstätte genutzt. Wir wussten also, dass wir erhebliche Funde zu erwarten hatten“, sagt Dr. Wolfgang Ender, Referatsleiter vom Landesamt für Archäologie Sachsen.
Als nun im November 2021 im Rahmen des geplanten Deichbaus bei Zwethau Voruntersuchungen begannen, bestätigten sich diese Vermutungen. Seit Anfang April wird nun ein bisschen genauer unter die Erdoberfläche geschaut und die Experten holten bereits erstaunliche Hinterlassenschaften unserer Urahnen ans Tageslicht. In erster Linie sind es Keramikscherben, aber auch sogenannte Fibeln – Schmuckspangen und Gewandnadeln, die man an Kleidern trug.
Ein ganzes Archäologen-Team erforscht gerade sehr gründlich und intensiv die oberen Bodenschichten. Dabei kommen auch Sonden und Metalldetektoren zum Einsatz. Ganz besonders konzentrieren sich die Fachleute auf eine etwa 200 Quadratmeter große Fläche, die zum Teil abgetragen wurde.
Dr. Ender kann Spannendes berichten: Hier haben einstmals Germanen gelebt. Spezielle Funde deuten auf eine Besiedlung um 300 vor Christi bis 500 nach Christi hin. Sie waren dort direkt an der Elbe sesshaft, die Mündung des heutigen Koßdorfer Landgrabens bot sich als Hafen-Platz an.
Vermutlich hatten diese Menschen schon weitgehende Kontakte nach Süden bis zu den Kelten nach Böhmen und bis in die römische Provinz, ins heutige Südbayern/Österreich. Römische Funde belegen diese These. Noch arbeiten die Archäologen intensiv daran, „ihr Bild“ zu vervollständigen. Es ist eine lange Reise zurück in die Vergangenheit, die sich wie ein Puzzle mit jedem kleinen Fundstück vervollständigt und die Szenen immer klarer erscheinen lässt. Wie in einem Buch können die Archäologen in jeder einzelnen Bodenschicht lesen.
„Bis Ende Mai“, schätzt Wolfgang Ender ein, „wird es noch dauern, bis die Grabungen zum Abschluss kommen.“ Zeitdruck gibt es dabei nicht. Die Landestalsperrenverwaltung Sachsen hat den gesamten Deichbau ohnehin ins kommende Jahr verschoben. Das liegt aber hauptsächlich an zwei anderen Themen, wie Axel Bobbe, Betriebsleiter der LTV in Rötha einräumt.
Ein angrenzendes Siel (Gewässerdurchlass) wurde als baufällig eingestuft und sollte eigentlich weggerissen werden. „Der Denkmalschutz schätzte allerdings die Sandstein-Konstruktion an dem Bauwerk als erhaltenswert ein. Nach langer Diskussion fiel die Entscheidung, ein völlig neues Siel zu errichten und die Sandstein-Fassade danach anzublenden“, so Axel Bobbe. DiePlanungsänderung läuft.
Zweites Problem sei eine Gasleitung, die sowohl Deich als auch Elbe quert. Die Firma Ontras Gastransport GmbH wird vermutlich erst Ende des Jahres die nötige Umverlegung realisieren können. Danach beginnen die eigentlichen Arbeiten zum Hochwasserschutz. Laut Talsperrenverwaltung soll ein Kilometer Deich grundhaft erneuert werden, wobei Spundwände zum Einsatz kommen. Die angrenzende Deichlinie in Richtung Torgau und in Richtung Rosenfeld ist bereits entsprechend der neuen DIN ausgebaut und saniert worden.