Torgau (TZ). Ganze Heerscharen von Läufern, Springern, Bauern, Königen und anderen bevölkern die Große Stube in der Alten Kanzlei. Aus nahezu jedem Winkel des altehrwürdigen Raumes fallen einem die Karos von Schachbrettern ins Auge. Auf den Stühlen, auf welchen sonst die Zuschauer sitzen und Vorträgen des Torgauer Geschichtsvereins lauschen, liegen sie aufgereiht – die Kästen mit weiteren Schachspielen. Und was hier so kunterbunt aussieht – die Figuren sind nämlich der unterschiedlichsten Art und Farbgebung – und irgendwie der großen Herausforderung der Bewältigung eines großen Durcheinanders nahekommt, hat seine strenge Ordnung.
Eberhard Knack aus Jüterbog, dem dies alles gehört, weiß genau, wo welches Schachspiel, welche Figuren und welches Brett hingehören. So beobachtet am vergangenen Donnerstag, als er gemeinsam mit seinem Freund Siegfried Wieland hier im Kultur- und Stadtgeschichtlichen Museum in der Torgauer Wintergrüne 5 die neue Sonderausstellung „Schach dem König“ aufbaute. Sie wird am 4. Februar um 17 Uhr feierlich eröffnet. Die Exposition dürfte ob ihrer Einzigartigkeit schon zu etwas ganz Besonderem werden.
„Bis 1990 habe ich gerade mal zwei Spiele besessen“, erinnert sich Eberhard Knack an den Ursprung seiner außergewöhnlichen Sammlerleidenschaft. „Das waren ein größeres und ein kleineres. Na ja, und mit der Wende kam das Reisen. Man konnte hin, wo man hinwollte. Und überall, wo ich hinkam, waren tolle Schachspiele zu sehen. Da habe ich ein Hobby draus gemacht.“
Die Kinder machten dem Vater jedes Mal eine Freude, wenn sie von ihren Urlaubsreisen wieder neue Spiele mitbrachten. Bis jetzt hat es Eberhard Knack auf über 120 Schachspiele gebracht. Wo bringt er das alles nur unter? „Ich bin selbstständiger Handwerksmeister für Rundfunk und Fernsehen, besitze ein Haus und damit auch entsprechende Räumlichkeiten“, sagt er und fügt im gleichen Atemzug hinzu: „Ich habe alle Figuren sichtbar hinter Glas.“
Eberhard Knack ist in seiner Heimat auch regelmäßig auf Trödel- und Flohmärkten anzutreffen. Mancher Händler winkt schon von Weitem, wenn er ihn kommen sieht – das Zeichen dafür, dass es hier vielleicht wieder etwas in Sachen Schach zu erstehen gibt. „Und auch auf diese Weise bin ich mit der Zeit zu immer mehr Spielen gekommen“, sagt er.
Im Heimatmuseum in Jüterbog machte er vor geraumer Zeit seine erste große Ausstellung, und damit wurde man weit über die Grenzen seines Heimatkreises auf Eberhard Knack aufmerksam. Zeitungen berichteten über ihn, er und seine Figuren waren unter anderem auch schon in Ägypten auf der Titelseite der „Daily News“ zu sehen.
Unter seinen Schachspielen besitzt Eberhard Knack auch einzelne Stücke, mit denen sich ganz besondere Geschichten verbinden. Er zeigt auf eines: „Das gehörte dem einstigen DTSB-Präsidenten Manfred Ewald, der vor geraumer Zeit verstorben ist.“ (Anmerkung der Redaktion: DTSB war die Abkürzung für den Deutschen Turn- und Sport-Bund der ehemaligen DDR). „Manfred Ewald hatte das Spiel seinerzeit als Gastgeschenk in der Mongolei bekommen.“
Dann wäre da unter anderem noch ein Schachspiel, welches Eberhard Knack aus Straßbourg zugeschickt bekam – ohne Angabe des Absenders. „Ich konnte mich somit nicht mal bei jemandem dafür bedanken“, zuckt er mit den Schultern.
Eberhard Knack spielt auch selbst hin und wieder Schach. Und sein Freund Siegfried Wieland widmet sich sogar inzwischen seit 50 Jahren dem Fernschach. Ein Teil der neuen Sonderausstellung im Stadt- und Kulturgeschichtlichen Museum wird seinem Hobby gewidmet sein und interessant darüber informieren.
Die Fernschachspieler sind übrigens im Deutschen Fernschachbund organisiert. „Jeder einzelne Zug geht mit der Post weg und kommt dann zurück“, erläutert Siegfried Wieland. Einer seiner Fernschachbriefe ging zum Beispiel einmal nach Rio de Janeiro: „Dort wurde nach dem Empfänger gesucht, doch dieser war weggezogen. Der Brief kam dann wieder aus Brasilien zu mir zurück.“ Und eben jener Brief liegt mit in einer Ausstellungsvitrine – verschlossen. Siegfried Wieland hat ihn nie geöffnet.
„Heute wird auch viel Fernschach per E-Mail gespielt“, sagt er. „Ich bleibe aber bei der klassischen Form per Post. Der Nebeneffekt ist doch auch, dass man wunderschöne Ansichtskarten erhält.“ Siegfried Wieland hat bisher Fernschach mit Gegnern in 24 Ländern auf vier Kontinenten gespielt. Eine Weltkarte mit Markierungen macht dies dem Besucher der Ausstellung „Schach dem König“ anschaulich. Siegfried Wieland hat seine Fernschachkarten stets gesammelt und dann 4000 Stück nach Indien gesandt: „Dort wurden sie verkauft und von dem Erlös wurden Schulbücher gekauft.“
Sein Interesse am Schach entdeckte Siegfried Wieland 1943, als er gemeinsam mit seiner Mutter nach Zittau fuhr, um dort seinen Vater im Lazarett zu besuchen. Er erinnert sich: „In dem großen Saal hatten sie die Schachbretter auf dem Bett vor sich und spielten. Ich bin rumgegangen und habe jedem die Figuren gerückt. Da war ich sieben Jahre alt.“
Später widmete er sich intensiv dem Fernschach. „In der DDR kostete eine Fernschachkarte fünf Pfennig“, sagt er.
Sein Freund Eberhard Knack hat inzwischen weitere Schachspiele in den Vitrinen des Museums platziert. Alles wird genau beschildert.
Und ab kommenden Donnerstagabend bietet sich dem Besucher des Museums die einzigartige Möglichkeit, eine sinnbildliche Reise in eine ganz besondere und faszinierende Welt anzutreten – in die des Schachspieles und der vielfältigen Gestaltung und Ausführung der Figuren. Und man wird merken: Schach, das ist nicht nur schwarz und weiß, das sind nicht nur streng geordnete Karos. Die Spiele avancieren zu wahren kleinen Kunstwerken.
Und wer selbst Lust am Schachspielen empfindet, der kann dies tun, meint Museumsleiterin Cornelia König: „In den bevorstehenden Winterferien kann in unserem Hause auch Schach erlernt und gespielt werden. Anmeldungen werden ab sofort entgegengenommen.“