Samstag, 25. März 2023
Montag, 21. März 2011

LOKALGESCHEHEN

Wie ein böser Traum, der nicht aufhört

Da war die Welt in Japan noch in Ordnung: Ulrike Schlack mit ihrem Ehemann Rudi vor rund zwei Jahren an den Schwefelquellen in der Nähe des Fuji-san, einem beliebten Ausflugsziel der Tokioter.Foto: privat

von unserem Redakteur Nico Wendt

Klitzschen/Stuttgart (TZ). Immer wieder hat sich Ulrike Schlack in den vergangenen Tagen die erschreckenden Bilder aus Japan angesehen. Noch immer kann sie nicht begreifen, was da passiert ist. „Es kommt mir wie ein böser Traum vor. Man hofft insgeheim, wieder aufzuwachen und alles wäre wie vorher.“ Sechs Jahre hat die ehemalige Klitzschenerin im „Land des Lächelns“ verbracht. Ihr Herz hängt an Japan.

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Klitzschen/Stuttgart (TZ/nw). Immer wieder hat sich Ulrike Schlack in den vergangenen Tagen die erschreckenden Bilder aus Japan angesehen. Noch immer kann sie nicht begreifen, was da passiert ist. „Es kommt mir wie ein böser Traum vor. Man hofft insgeheim, wieder aufzuwachen und alles wäre wie vorher.“ Sechs Jahre hat die ehemalige Klitzschenerin im „Land des Lächelns“ verbracht. Ihr Herz hängt an Japan. Hier lernte sie auch ihren Mann, einen deutschen Ingenieur der Automobilindustrie, kennen. Krönung war die Hochzeit im April 2008, die auf traditionelle Art des Landes gefeiert wurde.

In einer Artikelserie im Mai vergangenen Jahres hat Ulrike Schlack die TZ-Leser teilhaben lassen an ihren außergewöhnlichen Erlebnissen in einer Kultur, die für uns Deutsche fern und manchmal fremd bleibt.
Nun das: Am 11. März erschütterte ein gewaltiges Erdbeben den Inselstaat. Ein Tsunami zerstörte weite Teile der Küstenregion, richtete im Atomkraftwerk Fuku-shima schwere Schäden an. Es droht der Super-GAU. Ulrike Schlack: „An jenem Freitagmorgen hat mich mein Vater auf Handy angerufen und gesagt, ich solle unbedingt Fernsehen oder Radio einschalten. Ich musste zur Uni zum Deutschunterricht, hatte eigentlich gar keine Zeit“, beschreibt die 32-Jährige, die in Stuttgart freiberuflich als Dolmetscherin (Japanisch) arbeitet und am Japanischen Honorarkonsulat angestellt ist. Sie habe dann versucht, Freunde zu erreichen. Weil das Telefonnetz komplett zusammengebrochen war, sei der Kontakt erst am Sonnabendvormittag zustande gekommen.

„In der 60 000-Einwohner-Stadt Shimotsuke, in der ich drei Jahre gewohnt habe, sind keine größeren Schäden zu verzeichnen. Die Gegend war schon in der Vergangenheit weitgehend von Naturkatastrophen verschont geblieben. Ein paar Dachziegel sind runtergekommen, in der Schule stürzte eine Wand ein. Es gab 20 bis 30 Verletzte, aber keine Toten“, berichtet Ulrike Schlack. Die Region liegt etwa 90 Kilometer nördlich von Tokio und rund 150 Kilometer von Fukushima entfernt. Hier treten höchstens mal Erdstöße der Stärke 2 bis 3 auf. „Dann wackelt die Lampe an der Decke und das Geschirr klappert“, so die Ex-Klitzschenerin. Das heftigste, was sie erlebt habe, sei ein Erdbeben der Magnitude 4 gewesen. „Bei den Japanern stehen solche Ereignisse auf der Tagesordnung. Sie wissen ganz genau, wie man sich verhalten muss“, meint Ulrike Schlack. Doch diesmal war alles anders. „Ein befreundetes deutsches Paar, das in Yokohama lebt, erzählte uns, dass deren Chef sie 16 Uhr nach Hause geschickt hätte – etwa eine Stunde nach dem Erdbeben. Es sei keine Panik zu spüren gewesen. Die Japaner blieben erstaunlich ruhig. Allerdings waren die Straßen voller Menschen. Weil kein Verkehrsmittel mehr fuhr, musste der Mann bis Tokio laufen und kam erst 21 Uhr zu Hause an“, erzählt die 32-Jährige.

Das vom Tsunami verwüstete Küstengebiet habe sie selbst bei einem Ausflug mit ihrem Mann kennengelernt. „Wir besuchten die kleinen Dörfer mit dem Auto. Unvorstellbar, dass da nur noch Trümmer sind“, ist Ulrike Schlack die Betroffenheit anzumerken. Sie leidet mit den Opfern, hat sich inzwischen über Hilfsmöglichkeiten informiert und hofft auf eine große Spendenbereitschaft der Deutschen. Viele Bekannte hätten dem Konsulat sogar angeboten, Menschen aus Japan vorübergehend bei sich aufzunehmen. Die Konsulate seien ohnehin eine gute Adresse für Hilfsmaßnahmen.

Ansonsten kann die junge Frau nur auf die in den Medien veröffentlichten Spendenkonten verweisen. „Die Frage ist wirklich, was man tun kann und welche Hilfe die Japaner überhaupt annehmen“, fühlt sich Ulrike Schlack in dieser Frage auch ein wenig hilflos. Die Menschen dort seien ein sehr diszipliniertes und fleißiges Volk, das bestrebt ist, kaum Gefühle und Emotionen nach außen dringen zu lassen. Bei einer Stadtführung letzte Woche in Stuttgart mit einer Reisegruppe aus Tokio habe sie auch jemanden aus Fukushima getroffen. „Er ließ sich nicht viel anmerken, erwähnte nur kurz und knapp, dass daheim alles kaputt ist.“

Eigentlich wollte Ulrike Schlack im April gemeinsam mit ihrem Mann Rudi nach Japan, zweieinhalb Wochen Urlaub machen. Zumal sich der Hochzeitstag zum dritten Mal jährt. Der Flug über British Airways ist schon gebucht. Aber momentan überlegt das Paar, ob es die Reise überhaupt antreten kann. Die Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch vieles zum Guten wendet und dass zumindest der atomare Supergau ausbleibt, haben sie nicht aufgegeben.

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