Torgau (TZ). Anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus stehen bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, des Torgauer Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ) und der Stadt Torgau die Gefangenen der sogenannten Polen-Stammlager im Fokus. DIZ-Leiter Wolfgang Oleschinski hatte bereits am 22./23. Oktober 2013 Gelegenheit, in Katowice bei der Konferenz „Strukturen des Verbrechens – Neue Ansätze und Ergebnisse bei der Erforschung von NS-Verbrechen“ einen Vortrag über Polen-Stammlager nahe Torgau zu halten. Umso mehr freut es ihn, das Thema nun auch in den Fokus der öffentlichen Gedenkveranstaltung am 27. Januar, 19 Uhr, im Heinrich-Schütz-Saal auf Schloss Hartenfels zu rücken. „Die Menschen, an die wir erinnern wollen, sind die polnischen Strafgefangenen, die auf der Grundlage der rassistischen nationalsozialistischen ,Polenstrafrechtsverordnung‘ verurteilt wurden“, sagte Oleschinski gegenüber der Torgauer Zeitung.
Zwei solche Lager waren zwischen 1942 und 1945 in der Heeresmunitionsanstalt Süptitz und bei der WASAG Elsnig untergebracht. Nach Angabe Oleschinskis kam dort eine bislang nicht genau zu beziffernde Anzahl von Polinnen und Polen ums Leben. Und selbst zur Anzahl der Gefangenen gibt es keine verlässlichen Quellen. Basis der wissenschaftlichen Aufarbeitung sind vor allem Sondergerichtsakten. Diese legte man an, wenn beispielsweise entflohene Häftlinge aufgegriffen und der NS-Gerichtsbarkeit zugeführt wurden. „Aufgrund einer Anforderungsliste für Häftlingsbekleidung gehe ich von etwa 100 bis 200 polnischen Gefangenen aus, die in den Lagern untergebracht waren und schwerste körperliche Arbeit verrichten mussten“, sagt Oleschinski, der in einem halbstündigen Vortrag die schwierige Quellenlage darstellen und anhand einiger Haftbiografien die Geschichte dieser – nicht nur in Torgau – fast vergessenen Opfergruppe beleuchten will.
Aus dem östlichen Nachbarland hatte Oleschinski im vergangenen Spätsommer die Anfrage erreicht, ob er für ein dortiges Schulprojekt nicht ein wenig Erde vom Sterbeort eines außerhalb Polens Gefallenen beschaffen könnte. Damit sollte symbolisch eine Urne gefüllt werden. Problem: Es waren nur der Name, das Geburtsdatum und der Zusatz „Gestorben in einem Lager bei Torgau“ vermerkt. Recherchen führten schließlich nach Dommitzsch zu Günther Zöllner vom dortigen Geschichtsverein. Dieser verfügte über eine Liste mit Namen, auf denen auch der Gesuchte zu finden war. Der Grundstein für weitere Nachforschungen war also gelegt. Jetzt musste nur noch die genaue Position des ehemaligen Lagergeländes bestimmt werden. Im vergangenen Jahr hatte das DIZ zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus die Wanderausstellung „Was konnten sie tun? Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1939–1945“ eröffnet. Diese rückte Einzelschicksale, die neben großen Namen wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg nur allzu leicht übersehen werden, in den Vordergrund.